- Softcover : 172 Seiten
- Verlag: Himmelstürmer
- Autor: Peter Nathschläger
- Auflage: 1. Aufl., erschienen am 01.08.2012
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3-86361-157-8
- ISBN-13: 978-3-86361-157-6
- Größe und/oder Gewicht: 14,8 x 20,8 cm
Im Palast des schönsten Schmetterlings
Autoren:Peter Nathschläger5,00 € – 9,99 €
inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten
Darek redete jahrelang auf uns ein, endlich mit ihm nach Kuba zu fliegen. Er nannte in dieser Zeit einige wirklich gute Gründe, zumindest ein einziges Mal die lange Reise auf uns zu nehmen. Im Herbst 2009 luden wir ihn und seinen Lebensgefährten zum jährlichen Truthahnessen ein, und als wir satt und faul nach dem Essen im Wohnzimmer lümmelten, Cuba Libre tranken und stöhnten, weil wir so voll waren, brachte er ein neues Argument, nach Kuba zu fliegen, und diesmal hatte er uns.
Er sagte sinngemäß: „Wenn Du nach Kuba fliegst, kommst Du vollgepackt mit Geschichten zurück. Kubas Erdreich besteht aus Blut, Gelächter und Literatur. Das ist echt guter Boden!“ Wir schoben noch halbherzig einige Für & Wider hin & her, und im Januar 2010 buchten wir unseren Sommerurlaub auf Kuba. Am Abend des dritten Tages in Tag in Havanna lernte ich Chino kennen, der als Assistent der Personalabteilung in der Universitätsklinik arbeitete.
Zwei Tage später erzählte er mir die Geschichte über ein Haus in Cojimar, das vor kurzem renoviert wurde, und von dem Notizbuch, das die Arbeiter unter einer losen Bodendiele im Arbeitszimmer gefunden hatten. Wir rauchten Zigarren, tranken Rum und über uns schien der volle Mond golden auf Havanna. Drei Tage, nachdem mir Chino die Geschichte zusammengefasst erzählt hatte, fuhr ich nach Cojimar; eine Strecke, für die man ungefähr zwanzig Minuten braucht. Ich hatte den Fotoapparat mit, um ein paar Stimmungsfotos zu schießen, und ich hatte Zeit. Es war heiß, windstill und außer mir waren nur müde Hunde auf den Straßen und Gassen unterwegs.
Im Park neben der Hemingway-Büste saßen ein paar alte Frauen und tratschten, unten in der Bucht saßen ein paar Kinder und angelten. Ich ging an der Mole entlang nach Westen, bis ich einen Platz fand, der mir gefiel. Ich setzte mich auf einen der großen Ufersteine, kletterte dann noch tiefer, holte eine eiskalte Dose Bier aus dem Rucksack und knackte sie. Schön, dachte ich, ich bin also hier, und schaue aufs Meer wie Hemingway. Ich trank und dachte an die Geschichte des Jungen, der vom Leben und vom Schicksal verwirrt und geprügelt, seine Briefe in das Notizbuch geschrieben hatte. Ich rieb mit den Handflächen über die raue Oberfläche der Steine, bis ich ein Muster entdeckte.
An diesem Nachmittag fand ich die in Stein gekratzte Inschrift aus der Vergangenheit. Ein Zeitloch von 49 Jahren. In diesem Moment wurde Gerardos Schicksal zu meiner Geschichte, und sie bot nicht die Option, sie zu erzählen, oder auch nicht, sondern sie wurde zu meiner ureigenen Geschichte, die ich erzählen musste, weil sie mich dazu verpflichtete. Als ich die in den Uferstein geritzte Inschrift las, war es, als ob die fast fünfzig Jahre lang vergessene Tragödie um mich herum mit dem lautlosen Knall eines plötzlich aufsteigenden Vogelschwarms explodierte. Inzwischen war ich weitere vier Mal auf Kuba, und jedes Mal besuchte ich zumindest für einen halben Tag Cojimar.
Ich gehe am Hemingway-Monument vorbei, durch den Schatten des Torreon, am hüfthohen Gemäuer entlang bis zu den Ufersteinen im Westen Cojimars. Ich berühre die auf den Stein geritzte Inschrift und fühle jedesmal aufs Neue diese jahrzehntealte Tragödie, wie den unwiderstehlichen Drang zu leben und davon zu berichten. In den Stunden, die ich auf den Ufersteinen von Cojimar verbringe, träume ich oft davon, durch das Loch in der Zeit rufen zu können, oder gar hindurch zu gehen um etwas zu ändern. Manchmal ist diese Sehnsucht so stark, dass ich meine Hände nicht von der geritzten Inschrift auf dem Felsen nehmen kann. Es kostet mich jedesmal viel Kraft, mich zu lösen und zu gehen, und es kostet mich Kraft zu erkennen, dass mir nicht mehr zu tun blieb, als die Geschichte zu erzählen.
Marke
Himmelstürmer Verlag
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Silbenträumer –
Ich habe dieses Buch entdeckt, weil ich vor kurzem auf Kuba war und nach Literatur über Kuba gesucht habe, oder eben Romane, die auf Kuba spielen. Ich gebe zu, ich habe das Buch wegen des Umschlags und wegen des Titels gekauft. Die Szene auf dem Umschlag spiegelt so ziemlich genau die Lebensfreude, die ich selbst auf Kuba immer wieder gesehen habe. Der zweite Grund es zu kaufen war, weil ich wissen wollte, was da für eine Geschichte dahintersteckt, die sich so geheimnisvoll abzeichnet. Augenscheinlich tauchten bei Restaurationsarbeiten Briefe auf, die ein Halbwüchsiger Mitte der Sechziger in ein Notizbuch geschrieben hatte, und aus denen der Autor dann das Buch zusammenstellte. Da hat schon die Entstehungsgeschichte des Romans etwas abenteuerliches. In Rezensionen, die ich bei Radiosub und queer.de gelesen habe, gingen die Rezensenten auf die im Buch dargestellte Brutalität ein. Ich finde, dass die Gewalt in diesem Roman gar nicht so umfassend ist, sondern dass sie nur so umfassend wirkt, weil sie konsequent in Szene gesetzt wird, und weil sie als Gegenpol am anderen Ende der urwüchsigen Lebensfreude steht, die dem Buch aus allen Seiten dampft. Und das scheint mir überhaupt das Thema des Buches zu sein: Selbst als der junge Gerardo von seinem hasserfüllten Bruder immer und immer wieder verprügelt und gedemütigt wird, behält er sich eine Leichtigkeit, die dem Leser umso stärker die Verletzlichkeit des Jungen vor Augen führt. Selbst wenn er im späteren Verlauf der Handlung als betrunkener Junge in leerstehende Häuser einsteigt und sich dort an den Besitztümern der früheren Bewohner vergeht, kann man noch immer die Freude am Leben entdecken, die gerade in diesen Szenen erkennbar, von der sie umgebenden Gewalt verformt, aber nicht gebrochen wird. Die Anleihen beim Magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur haben es mir sehr angetan, hielten sich aber als Beiwerk im Hintergrund. Was mir auch noch sehr gut gefiel, war die untrennbare Kopplung von der Darstellung der Orte und den dort stattfindenden Geschehnissen. Das Buch ist ergreifend, vor allem aber deshalb, weil es nicht traurig ist, sondern weil die den Stürmen ausgesetzte Lebensfreude eines halbwüchsigen Jungen schlussendlich sogar im Sterben obsiegt. Sie ist wie die Brandung, die unermüdlich gegen die Felsen schlägt, wie ein Schmetterling, der über den Wellen tanzt. Und das Buch ist ergreifend, weil trotz des Endes so etwas wie wehmütige Erinnerung an Lebensfreude zurückbleibt, wie ein zitroniger Geruch. Die im ersten Teil des Buches abgehandelte Geschichte von Gerardos groben Bruder Yoanis erscheint mir insgesamt „lateinamerikanischer“ und fantastischer in ihrer Erzählart. Die ziellose Wanderung eines Mannes, der sich nicht mehr an seine Jugend erinnern kann und durch nichts mehr mit ihr verbunden wird außer durch das Gefühl, ein böser Mensch gewesen zu sein, geht sehr ans Herz, liest sich aber auch runder und flüssiger, als die zweigeteilte zweite Geschichte rund um Gerardo. Die Geschichte von den Wanderungen Yoanis ist insgesamt literarischer; sie komprimimiert ein Leben auf der Suche auf rund siebzig Seiten – und das ist immerhin eine Leistung. Das Yoanis am Ende seines Lebens sogar etwas Frieden finden, selbst wenn es nur der frieden im Tod ist, hat etwas von poetischer Gerechtigkeit. Zum Stil selbst kann ich nicht viel sagen, ich bin kein Schriftsteller. Was ich aber sagen kann ist, dass die Sprache untrennbar mit dem verbunden ist, was erzählt wird. Wenn ich dem Autor ein Kompliment machen kann dann, dass dieses Buch auf mich hermetisch wirkt. Man kann die Geschichte nicht anders erzählen als so, wie sie im Buch steht. Und ich wollte nicht nur wissen, wie es ausgeht, ich wollte auch bleiben. Obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass es diese Briefe nie gegeben hat, und Peter Nathschläger den Begriff Roman vollkommen ernst nahm (und nimmt), indem die Geschichte die Wirklichkeit so gut wie möglich nachahmt, werde ich bei meinem nächsten Besuch auf Kuba nach Cojimar fahren und dort am westlichen Ende des Malecons auf den Felsen nach der eingeritzten Inschrift suchen, die im Roman erwähnt wird.
Nicht verifizierter Kauf. Mehr Informationen
Gisel –
1964 stirbt der Jugendliche Gerardo bei einem Sprung ins Wasser. 40 Jahre später wird sein Bruder Yoanis ertrunken aus dem Wasser gezogen. Welche Geschichte steckt wohl dahinter? Der Autor Peter Nathschläger erzählt die fast verlorene Geschichte des jungen Gerardo. Nach der Revolution, in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wurden Homosexuelle in Kuba verfolgt und in Umerziehungslager gesteckt. Das Buch fängt die Atmosphäre der damaligen Zeit ein, zeigt die Lebenslust der jungen Menschen und vor allem die Diskriminierungen, denen Homosexuelle ausgesetzt waren. Das ist teilweise starker Tobak, beklemmend zu lesen, untermalt von den Briefen, die Gerardo selbst geschrieben hat. Die verschiedenen Teile des Buches zeigen Gerardos Sichtweise wie auch die von Yoanis. Dadurch wirkt die Geschichte sehr authentisch, sie zieht den Leser schnell in ihren Bann. Die Charaktere sind gut beschrieben, man fiebert mit den Protagonisten mit und würde so gerne verändernd eingreifen in diese tragische Geschichte voller Verwicklungen… Wer sich für die Geschichte Kubas interessiert, dem kann ich dieses Buch sehr empfehlen. Auch wer nach Literatur über Homosexuellen sucht, wird hier fündig werden. Nur kurz sei erwähnt, dass die Geschichte teilweise sehr freizügig geschrieben ist, was ich so vom Klappentext her nicht unbedingt erwartet hatte.
Nicht verifizierter Kauf. Mehr Informationen
RS –
Dieses Buch wurde mir vom Verlag im Rahmen einer Leserunde zur Verfügung gestellt. Alles, was mich eigentlich erst daran reizte war, etwas über Kuba, ein Traumreiseziel von mir, zu erfahren. Dass sich jedoch zwischen den Buchdeckeln eine solch tiefgehende Geschichte verbirgt, hätte ich niemals vermutet! Der Autor erzählt aus zwei Perspektiven. Einerseits als Yoanis, der durch einen Unfall einen Gedächtnisverlust erleidet – und sich dann aufmacht, um seine Erinnerungen an seine Vergangenheit wiederzufinden…. Hier erfährt man viel über Land und Leute und die Vergangenheit Kubas. Die zweite Perspektive spiegelt die von Gerardo wider, der Männer liebt, was für ihn alles andere als leicht ist in dieser Ära. Er ist zudem der Schreiber der Briefe, auf denen der Roman basiert. Es besteht also ein realer Bezug, auf dessen Grundlage eine fiktive Geschichte geschrieben wurde. Wobei man schlussendlich wirklich glaubt: „… so und nicht anders muss es tatsächlich gewesen sein!“ Ich persönlich musste mich erst etwas in das Buch hineinfinden, brauchte ein bisschen „Aufwärmzeit“, doch es lohnte sich letztlich. Man hat das Gefühl etwas Reales zu erfahren, über Kuba, den Umgang mit Homosexuellen. Es ist ungeschönt geschrieben, zum Teil hart, aber ehrlich. Gerade das macht es zu etwas Besonderem und absolut lesenswert!
Nicht verifizierter Kauf. Mehr Informationen